Symbolisches Bild für sexuelle Gesundheit und Selbstbestimmung in Deutschland
Veröffentlicht am Mai 15, 2024

Sexuelle Gesundheit ist kein Tabu, sondern ein aktiver Teil Ihrer persönlichen Gesundheitsvorsorge, der auf Wissen, modernen Optionen und offener Kommunikation basiert.

  • Viele der häufigsten STI (wie Chlamydien) verlaufen symptomlos, weshalb regelmäßige Tests wichtiger sind als das Warten auf Anzeichen.
  • Moderne Prävention geht weit über Kondome hinaus und umfasst Optionen wie die PrEP zum Schutz vor HIV und die HPV-Impfung zum Schutz vor Krebs.

Empfehlung: Betrachten Sie STI-Tests als normalen „Gesundheits-Check-in“ und sprechen Sie das Thema als Zeichen gegenseitiger Fürsorge in Ihrer Partnerschaft an.

Das Thema sexuell übertragbare Infektionen, kurz STI, ist oft von Unsicherheit und einem gewissen Unbehagen geprägt. Viele verbinden damit vage Ängste oder veraltete Vorstellungen. Die gängigen Ratschläge sind schnell zur Hand: „Benutz ein Kondom“ oder „Geh zum Arzt, wenn etwas komisch ist“. Diese Tipps sind zwar nicht falsch, aber sie greifen zu kurz. Sie übersehen die wichtigste Tatsache moderner sexueller Gesundheit: Viele Infektionen bleiben lange unbemerkt und der Schutz davor ist heute vielfältiger und effektiver als je zuvor.

Doch was, wenn der Schlüssel zu echter Sicherheit nicht nur im passiven Schutz vor Krankheiten liegt, sondern in aktiver Gesundheitskompetenz? Was, wenn es darum geht, die eigenen Risiken einschätzen zu können, die verfügbaren Präventionsmethoden zu kennen und das Thema souverän und ohne Scham anzusprechen? Genau hier setzt dieser Leitfaden an. Er versteht sich als serviceorientierter Kompass für sexuell aktive Menschen in Deutschland. Wir räumen mit Mythen auf, liefern Fakten und zeigen Ihnen konkrete Wege auf, wie Sie Ihre sexuelle Gesundheit selbstbestimmt in die eigene Hand nehmen können – von modernen Schutzpraktiken über den Weg zum richtigen Test bis hin zur offenen Kommunikation.

Für einen schnellen und visuellen Überblick über die wichtigsten Schutzmaßnahmen fasst das folgende Video die Kernpunkte zur sexuellen Gesundheit anschaulich zusammen.

Dieser Artikel führt Sie strukturiert durch alle relevanten Aspekte der sexuellen Gesundheit in Deutschland. Der folgende Sommaire gibt Ihnen einen Überblick über die Themen, die wir behandeln, um Ihnen zu ermöglichen, informierte und selbstbewusste Entscheidungen zu treffen.

Sommaire: Ihr Wegweiser zu umfassendem STI-Schutz und sexueller Selbstbestimmung

Chlamydien, HPV & Co.: Welche STI wirklich relevant sind und woran (oder woran nicht) man sie erkennt

Wenn von STI die Rede ist, denken viele zuerst an HIV. Doch die Landschaft sexuell übertragbarer Infektionen in Deutschland ist weitaus breiter und wird von Erregern dominiert, die oft im Verborgenen agieren. Zu den relevantesten gehören Chlamydien, Humane Papillomviren (HPV), Gonorrhoe (Tripper) und Syphilis. Das entscheidende und zugleich tückische Merkmal vieler dieser Infektionen ist, dass sie oft ohne Symptome verlaufen. Man fühlt sich gesund, kann die Infektion aber unwissentlich weitergeben und riskiert Spätfolgen.

Besonders Chlamydien sind hier ein Paradebeispiel. Sie zählen zu den häufigsten bakteriellen STI in Deutschland, doch laut medizinischen Experten verlaufen bis zu 90% der Chlamydieninfektionen bei Frauen asymptomatisch. Unbehandelt können sie zu Unfruchtbarkeit führen. Auch HPV ist extrem verbreitet; fast jeder sexuell aktive Mensch infiziert sich im Laufe des Lebens. Meist heilt die Infektion von selbst aus, doch bestimmte Hochrisiko-Typen können Krebs verursachen – allen voran Gebärmutterhalskrebs bei Frauen, aber auch Tumore im Mund-Rachen-Raum und im Analbereich bei allen Geschlechtern.

Das bedeutet: Sich allein auf Körpersignale wie Jucken, Brennen oder Ausfluss zu verlassen, ist eine unzureichende Strategie. Die Abwesenheit von Symptomen ist kein Beweis für Gesundheit. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer proaktiven Herangehensweise, die auf Prävention und regelmäßigen Tests basiert, anstatt auf eine Reaktion auf bereits vorhandene Beschwerden. Die moderne Gesundheitskompetenz im Bereich STI beginnt mit dem Wissen um diese „unsichtbaren“ Risiken.

Mehr als nur Kondome: Von Lecktüchern bis zur PrEP – die ganze Welt der Safer-Sex-Praktiken

Der Begriff „Safer Sex“ ist für die meisten Menschen synonym mit der Verwendung von Kondomen. Und tatsächlich: Das Kondom ist nach wie vor ein unverzichtbares, hocheffektives Mittel, das als einziges gleichzeitig vor ungewollter Schwangerschaft und den meisten STI schützt. Doch die moderne Prävention bietet heute ein ganzes Präventions-Portfolio, das es Ihnen ermöglicht, Ihren Schutz an Ihre Lebenssituation und Ihre sexuellen Praktiken anzupassen.

Eine der wichtigsten Innovationen der letzten Jahre ist die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP). Dabei handelt es sich um ein Medikament, das bei regelmäßiger Einnahme sehr zuverlässig vor einer HIV-Infektion schützt. Die PrEP ist keine „Pille für danach“, sondern wird vorbeugend eingenommen. Seit 2019 übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland die Kosten für Personen mit erhöhtem HIV-Risiko. Dass diese Methode an Relevanz gewinnt, zeigen die Zahlen: Laut Berichten nutzen bereits knapp 40.000 Menschen in Deutschland die PrEP. Wichtig ist jedoch zu wissen: Die PrEP schützt nur vor HIV, nicht vor anderen STI. Die Kombination mit Kondomen bleibt daher oft sinnvoll.

Stilvolle Aufbewahrung von Safer-Sex-Produkten als Teil der Selbstfürsorge

Für den Oralverkehr gibt es zudem Lecktücher (Dental Dams). Das sind dünne Latex- oder Polyurethan-Tücher, die über Vulva oder Anus gelegt werden und den direkten Kontakt der Schleimhäute verhindern. Sie bieten effektiven Schutz vor Infektionen wie HPV, Herpes oder Syphilis. Die Erweiterung des eigenen Schutzrepertoires über das Kondom hinaus ist ein Zeichen von Selbstfürsorge und geteilter Verantwortung.

So kommen Sie in Deutschland an die PrEP:

  1. Arztsuche: Finden Sie einen PrEP-verschreibenden Arzt über die Suchfunktion der dagnä (Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung von HIV- und Hepatitis-Patienten) oder über spezialisierte Plattformen.
  2. Beratungsgespräch: Vereinbaren Sie ein Erstgespräch zur Aufklärung über die Einnahme, mögliche Nebenwirkungen und die notwendigen Untersuchungen.
  3. Voruntersuchungen: Vor Beginn sind ein HIV-Test, die Überprüfung der Nierenfunktion und ein Hepatitis-B-Status obligatorisch.
  4. Rezept und Apotheke: Mit dem Rezept erhalten Sie die Medikamente in der Apotheke. Die Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen getragen.
  5. Regelmäßige Kontrollen: Alle drei Monate sind Kontrolltermine mit HIV-Test und Überprüfung der Gesundheitswerte vorgesehen, um die Sicherheit der Anwendung zu gewährleisten.

Wann, wo, wie? Der komplette Leitfaden zum STI-Test in Deutschland – vom Hausarzt bis zum Heimtest

Sich regelmäßig auf STI testen zu lassen, sollte als normaler Gesundheits-Check-in verstanden werden – genau wie ein Besuch beim Zahnarzt. Doch viele sind unsicher: Wann ist ein Test sinnvoll? Wohin kann ich mich wenden? Und wer bezahlt das? In Deutschland gibt es ein gut ausgebautes Netz an Testmöglichkeiten, das von Diskretion bis zur vollen Anonymität verschiedene Bedürfnisse abdeckt.

Der richtige Zeitpunkt für einen Test hängt von Ihrer persönlichen Lebenssituation ab. Generell ist ein Test ratsam bei neuen Sexualpartnern, bei Symptomen oder einfach einmal jährlich zur Kontrolle. Für Frauen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr gibt es ein besonderes Angebot: Die gesetzlichen Krankenkassen bieten einen jährlich kostenfreien Test auf Chlamydien mittels einer Urinprobe an, da diese Infektion in dieser Altersgruppe besonders häufig und folgenreich ist. Bei konkreten Symptomen oder einem begründeten Verdacht werden die Kosten für Tests auf andere STI in der Regel von der Krankenkasse übernommen. Testungen ohne Symptome (Screening) sind meist eine Selbstzahlerleistung (IGeL).

Der folgende Vergleich zeigt die wichtigsten Anlaufstellen in Deutschland, um Ihnen bei der Wahl der richtigen Teststelle zu helfen.

STI-Teststellen in Deutschland im Vergleich
Teststelle Anonymität Kosten Verfügbarkeit Testumfang
Hausarzt / Gynäkologe Ärztliche Schweigepflicht Bei Symptomen: Kassenleistung
Ohne Symptome: IGeL (ca. 50-150€)
Flächendeckend Alle STIs
Gesundheitsamt Vollständig anonym möglich HIV & Syphilis oft kostenfrei
Andere STIs je nach Amt
Regional unterschiedlich HIV, Syphilis, teilweise Chlamydien/Gonorrhö
Checkpoint (Berlin, Köln, Hamburg) Anonym 5-49€ je nach Testpaket Nur in Großstädten HIV, Syphilis, Chlamydien, Gonorrhö, Hepatitis C
STI-Heimtest Vollständig diskret 40-200€ je nach Umfang Deutschlandweit online Je nach Anbieter unterschiedlich

Eine wachsende Option sind Heimtests, die diskret online bestellt werden können. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten. Achten Sie unbedingt auf die Qualität und Zertifizierung des Anbieters. Wie Experten betonen, ist die CE-Kennzeichnung ein entscheidendes Kriterium:

Es können nur Tests empfohlen werden, die eine CE-Kennzeichnung aufweisen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass ein Produkt vom Hersteller geprüft wurde und alle EU-weiten Anforderungen an Sicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz erfüllt werden.

– Pharmazeutische Zeitung, Fachartikel über Selbsttests und Qualitätssicherung

„Übrigens, wann war dein letzter Test?“ So sprechen Sie das Thema STI souverän und ohne awkward Momente an

Die größte Hürde für umfassende sexuelle Gesundheit ist oft nicht der Mangel an Wissen oder Schutzmitteln, sondern die Scheu, das Thema anzusprechen. Ein Gespräch über STI wird fälschlicherweise oft mit Misstrauen oder einem Vorwurf gleichgesetzt. Dabei ist es genau das Gegenteil: ein Zeichen von Fürsorge, Respekt und geteilter Verantwortung. Die Fakten zeigen jedoch, dass hier noch Nachholbedarf besteht. Eine Studie zur Gesundheit und Sexualität in Deutschland (GeSiD) zeigt, dass weniger als 50% der Befragten vor dem ersten Sex mit einem neuen Partner über STI sprechen.

Wie also kann man diese Hürde überwinden? Der Schlüssel liegt darin, das Gespräch zu normalisieren und es als selbstverständlichen Teil des Kennenlernens zu etablieren. Es geht nicht darum, eine unangenehme Beichte abzulegen, sondern einen gemeinsamen Gesundheitsstandard zu definieren. Die folgenden Formulierungen können Ihnen dabei helfen, das Thema je nach Situation souverän und ohne peinliche Momente anzusprechen:

Zwei Personen in einem vertrauensvollen, offenen Gespräch
  • Im Dating-App-Profil: Erwähnen Sie proaktiv „Getestet & gesundheitsbewusst“ oder „Offen für Gespräche über sexuelle Gesundheit“, um von vornherein die richtigen Signale zu senden.
  • Vor dem ersten Date (im Chat): „Ich finde es wichtig, offen über Gesundheit zu sprechen. Das Thema STI gehört für mich dazu. Wann war denn dein letzter Test?“
  • In einer neuen, exklusiven Beziehung: „Bevor wir auf Kondome verzichten, würde ich mich wohler fühlen, wenn wir beide einen Test machen. Was hältst du davon? Das wäre für mich ein schöner Vertrauensbeweis.“
  • In einer langjährigen Partnerschaft: „Lass uns doch mal einen gemeinsamen Sexual-Health-Check machen, einfach als Teil unserer normalen Vorsorge. Dann sind wir beide auf der sicheren Seite.“
  • Bei einer defensiven Reaktion: „Das hat nichts mit Misstrauen zu tun, sondern mit Fürsorge für uns beide. Da viele STI ohne Symptome verlaufen, ist Testen einfach der smarteste Weg, aufeinander aufzupassen.“

Indem Sie das Gespräch initiieren, zeigen Sie nicht nur Verantwortungsbewusstsein, sondern schaffen auch eine Basis für Vertrauen und Intimität, die weit über den reinen Infektionsschutz hinausgeht. Es ist ein Akt der Wertschätzung – für die eigene Gesundheit und die des Partners.

Die HPV-Impfung: Warum sie nicht nur Mädchen, sondern auch Jungen vor Krebs schützt – Fakten gegen Mythen

Die Impfung gegen Humane Papillomviren (HPV) ist eine der wirksamsten Präventionsmaßnahmen im Bereich der sexuellen Gesundheit, aber auch eine, die von Mythen umgeben ist. Lange Zeit wurde sie als reine „Mädchen-Impfung“ zur Prävention von Gebärmutterhalskrebs beworben. Diese Sichtweise ist jedoch veraltet und gefährlich. HPV macht keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern, und die Impfung ist für alle jungen Menschen gleichermaßen wichtig.

Humane Papillomviren können neben Gebärmutterhalskrebs auch andere Krebsarten verursachen, darunter Anal-, Penis- und Mund-Rachen-Karzinome. Studien zeigen, dass in Deutschland etwa 2.900 Krebserkrankungen bei Männern jährlich auf HPV zurückzuführen sind. Jungen und Männer zu impfen, schützt also nicht nur sie selbst, sondern unterbricht auch die Infektionsketten und schützt somit indirekt auch ihre Partnerinnen und Partner. Es ist ein Akt der Solidarität und des Gemeinschaftsschutzes.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland empfiehlt die HPV-Impfung für Mädchen und Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren. Versäumte Impfungen können bis zum 18. Geburtstag nachgeholt werden. Die Impfung sollte idealerweise vor dem ersten sexuellen Kontakt erfolgen, da sie am wirksamsten ist, wenn noch keine Infektion mit den im Impfstoff enthaltenen HPV-Typen stattgefunden hat. Die Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen vollständig übernommen. Moderne Impfstoffe wie Gardasil 9 bieten zudem nicht nur Schutz vor den häufigsten krebserregenden HPV-Typen, sondern auch vor den Typen, die für etwa 90% der Genitalwarzen verantwortlich sind. Die HPV-Impfung ist somit eine sichere und effektive Investition in die langfristige Gesundheit.

Nicht nur im Körper, auch im Kopf: Wie Pille & Co. Ihre Stimmung, Libido und Ihr Wohlbefinden beeinflussen können

Verhütung und STI-Schutz sind zentrale Säulen der sexuellen Gesundheit. Doch gerade hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille wirken nicht nur im Körper, sondern können auch die Psyche beeinflussen. Viele Frauen berichten von Veränderungen ihrer Stimmung, ihrer Libido oder ihres allgemeinen Wohlbefindens. In den sozialen Medien kursieren oft Schreckensgeschichten, die zu einer starken Verunsicherung führen. Die wissenschaftliche Datenlage zeichnet jedoch ein deutlich differenzierteres Bild.

Hormonelle Verhütung greift in den natürlichen Hormonzyklus ein. Dies kann sich auf die Art und Weise auswirken, wie das Gehirn Emotionen verarbeitet. Eine fundierte Einordnung liefert hierzu eine Aussage aus der Forschung, die pauschale Verurteilungen infrage stellt:

Es ist eben nicht so, wie es in den Sozialen Medien oft verbreitet wird, dass die Pille quasi bei allen Frauen schlimme Nebenwirkungen hat. Die Forschung zeigt, dass bei mehr als 6 von 10 Pillenanwenderinnen keine Veränderungen der Libido auftraten, bei mehr als 2 von 10 eine Zunahme und bei etwa 1 von 10 eine Abnahme.

– Deutschlandfunk Nova / Universität Tübingen, Forschungsergebnisse zur Antibabypille und psychischen Effekten

Es gibt also keine universelle Reaktion. Die Wirkung ist höchst individuell. Für manche Frauen können hormonelle Verhütungsmittel sogar stimmungsstabilisierend wirken, während andere, insbesondere Frauen mit einer Vorbelastung für Depressionen, sensibler reagieren könnten. Die Mechanismen dahinter werden intensiv erforscht.

Fallstudie: Hormonelle Verhütung und emotionale Verarbeitung

Eine Studie aus Tübingen, Düsseldorf und Uppsala untersuchte die psychischen Effekte der Antibabypille. Die Ergebnisse zeigen, dass hormonelle Verhütungsmittel die körpereigene Hormonproduktion, insbesondere von Östrogen und Progesteron, hemmen. Diese hormonellen Eingriffe können beeinflussen, wie das Gehirn Emotionen verarbeitet. Manche Frauen reagieren empfindsamer auf belastende Gefühle wie Traurigkeit oder Ärger, während positive Emotionen weniger intensiv wahrgenommen werden. Besonders Frauen mit Vorbelastungen könnten durch synthetische Hormone verstärkte Stimmungsschwankungen oder Depressionen erleben. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer individuellen Beratung und Beobachtung.

Der Schlüssel liegt darin, den eigenen Körper und die eigene Psyche genau zu beobachten und bei negativen Veränderungen das Gespräch mit der Gynäkologin oder dem Gynäkologen zu suchen. Es gibt eine Vielzahl verschiedener Präparate und hormonfreier Alternativen, sodass eine Anpassung jederzeit möglich ist. Eine selbstbestimmte Entscheidung für eine Verhütungsmethode schließt die Berücksichtigung des seelischen Wohlbefindens mit ein.

Das Wichtigste in Kürze

  • Proaktiv statt reaktiv: Da viele STI keine Symptome verursachen, sind regelmäßige Tests die einzig verlässliche Methode, um Klarheit zu haben.
  • Schutz ist vielfältig: Neben Kondomen bieten PrEP, Lecktücher und die HPV-Impfung ein breites Portfolio für individuellen und umfassenden Schutz.
  • Kommunikation ist Fürsorge: Offen über sexuelle Gesundheit zu sprechen, ist kein Zeichen von Misstrauen, sondern von gegenseitigem Respekt und Verantwortung.

HPV-positiv – und jetzt? Alles, was Sie über die neue Gebärmutterhalskrebs-Vorsorge ab 35 wissen müssen

Die Diagnose „HPV-positiv“ löst bei vielen Frauen zunächst große Sorge und Verunsicherung aus. Doch es ist wichtig, diesen Befund richtig einzuordnen: Er ist keine Krebsdiagnose. Vielmehr ist er ein Hinweis darauf, dass eine Infektion mit Humanen Papillomviren vorliegt, die ein potenzielles Risiko für Zellveränderungen darstellt. In Deutschland wurde die Gebärmutterhalskrebs-Vorsorge für Frauen ab 35 Jahren angepasst, um dieses Risiko noch besser zu managen. Seit 2020 wird eine Kombination aus Pap-Test (zytologischer Abstrich) und HPV-Test alle drei Jahre angeboten.

Ein positiver HPV-Test ist in dieser Altersgruppe nicht selten. Medizinische Daten zeigen, dass ca. 8% der Frauen ab 35 Jahren in Deutschland HPV-positiv sind. In den allermeisten Fällen bekämpft das Immunsystem das Virus erfolgreich, ohne dass es zu Problemen kommt. Nur bei einer hartnäckigen, langanhaltenden (persistierenden) Infektion mit Hochrisiko-Typen kann es zu Zellveränderungen (Dysplasien) kommen, die eine Vorstufe von Krebs sein können. Die neue Vorsorge zielt genau darauf ab, diese Fälle frühzeitig zu identifizieren und zu überwachen.

Wenn Ihr Test HPV-positiv ausfällt, ist das also zunächst ein Signal zur genaueren Beobachtung, nicht zur Panik. Es folgt ein klar definierter Fahrplan, um die Situation abzuklären und bei Bedarf zu handeln. Der folgende Plan hilft Ihnen, die nächsten Schritte zu verstehen.

Ihr Plan nach einem auffälligen HPV-Befund

  1. PAP-Befund verstehen: Prüfen Sie den Befund des Zellabstrichs. PAP I/II ist unauffällig. Ein PAP IIID bedeutet, dass leichte bis mäßige Zellveränderungen (Dysplasien) vorliegen, aber noch kein Krebs.
  2. Erste Maßnahmen festlegen: Bei HPV-positiv und einem unauffälligen PAP-Test wird in der Regel in 12 Monaten eine Kontrolle empfohlen. Bei einem PAP IIID1 wird entweder nach 6-12 Monaten kontrolliert oder direkt eine Abklärungskolposkopie innerhalb von 3 Monaten durchgeführt.
  3. Kolposkopie bei deutlichem Befund: Bei einem PAP IIID2 oder höhergradigen Veränderungen ist eine zeitnahe Scheidenspiegelung (Kolposkopie) zur genaueren Abklärung innerhalb von 3 Monaten der Standard.
  4. Ablauf der Kolposkopie: Bei dieser Untersuchung betrachtet der Arzt den Muttermund mit einer Lupe (Kolposkop). Auffällige Bereiche können mit Essigsäure betupft werden, was sie sichtbar macht. Bei Bedarf wird eine kleine, meist schmerzfreie Gewebeprobe (Biopsie) entnommen.
  5. Ergebnisse und weiteres Vorgehen: Das Ergebnis der Gewebeuntersuchung (Histologie) liegt nach etwa ein bis zwei Wochen vor. Leichte bis mittelschwere Dysplasien heilen oft von selbst aus und werden nur beobachtet. Nur bei höhergradigen, schweren Dysplasien ist eine kleine operative Entfernung des veränderten Gewebes (Konisation) in einer spezialisierten Dysplasie-Einheit notwendig.

Pille, Spirale oder doch ganz anders? Der ehrliche Verhütungs-Kompass für jede Lebensphase und jedes Bedürfnis

Eine selbstbestimmte sexuelle Gesundheit erfordert eine klare Unterscheidung zwischen zwei Zielen: der Verhütung einer Schwangerschaft und dem Schutz vor STI. Keine einzige Methode außer dem Kondom erfüllt beide Zwecke gleichzeitig und zuverlässig. Viele Menschen, die sich auf hormonelle Methoden wie die Pille oder eine Spirale verlassen, vergessen oft, dass sie damit zwar sehr sicher vor einer Schwangerschaft, aber überhaupt nicht vor STI geschützt sind. Diese Lücke im Schutzkonzept ist ein entscheidendes Risiko, besonders bei wechselnden Partnern.

Eine repräsentative Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aus dem Jahr 2024 zeigt, dass 67% der jungen Menschen das Kondom nutzen und es damit die Verhütungsmethode Nummer eins ist. Das ist eine gute Nachricht, denn es zeigt ein hohes Bewusstsein für die „Doppelsicherheit“. Die smarteste Strategie ist oft die Kombination: eine sichere Verhütungsmethode ergänzt durch Kondome zum Schutz vor Infektionen, solange der STI-Status nicht beidseitig geklärt ist. Diese sogenannte Doppelstrategie („dual protection“) ist der Goldstandard für eine umfassende sexuelle Gesundheitsvorsorge.

Um die richtige Entscheidung für Ihre individuelle Situation zu treffen, ist es entscheidend, die jeweiligen Schutzwirkungen der verschiedenen Methoden genau zu kennen. Die folgende Matrix gibt Ihnen einen klaren Überblick und hilft Ihnen, eine bewusste Wahl zu treffen.

Die Doppel-Sicherheits-Matrix: Verhütung vs. STI-Schutz
Verhütungsmethode Schwangerschaftsschutz STI-Schutz Hormonfrei Empfohlene Doppelstrategie
Pille Sehr hoch Nein Nein Pille + Kondom bei wechselnden Partnern
Kondom Hoch Ja Ja Alleiniger Schutz ausreichend
Kupferspirale/-kette Sehr hoch Nein Ja Spirale + Kondom bei wechselnden Partnern
Hormonspirale Sehr hoch Nein Nein Spirale + Kondom bei wechselnden Partnern
Lecktuch (Dental Dam) Nicht relevant Ja (oral) Ja Beim Oralverkehr als zusätzlicher Schutz
PrEP Nein Nur HIV Nein PrEP + Kondom für umfassenden Schutz

Die Wahl der richtigen Methode ist keine einmalige Entscheidung, sondern kann sich je nach Lebensphase und Beziehungsstatus ändern. Eine offene Beratung bei Ihrer Gynäkologin, Ihrem Gynäkologen oder in einer Beratungsstelle hilft Ihnen, den für Sie passenden Weg zu finden. Eine selbstbestimmte Sexualität bedeutet, die Werkzeuge zu kennen und sie klug für die eigene Gesundheit einzusetzen.

Um eine wirklich informierte Entscheidung zu treffen, ist es wichtig, die Unterschiede zwischen Schwangerschaftsverhütung und STI-Schutz genau zu verstehen.

Der erste Schritt zu einer selbstbestimmten sexuellen Gesundheit ist getan: Sie sind informiert. Nutzen Sie dieses Wissen, um die für Sie passenden Schutz- und Teststrategien in Ihren Alltag zu integrieren und sprechen Sie offen mit den Menschen, die Ihnen wichtig sind. Suchen Sie bei weiteren Fragen oder für eine individuelle Beratung eine gynäkologische Praxis, ein Gesundheitsamt oder eine spezialisierte Beratungsstelle wie die AIDS-Hilfe auf.

Fragen und Antworten zum Thema STI und HPV

Bedeutet HPV-positiv, dass ich Krebs habe?

Nein. Eine HPV-Infektion bedeutet nicht automatisch Krebs. Die meisten HPV-Infektionen heilen innerhalb von 1-2 Jahren von selbst aus. Nur wenn eine Infektion über Jahre persistiert, kann sie zu Zellveränderungen und später zu Krebs führen.

Muss ich meinem Partner von meinem HPV-Befund erzählen?

Es ist empfehlenswert, offen darüber zu sprechen. HPV ist extrem verbreitet – fast jeder sexuell aktive Mensch infiziert sich im Laufe des Lebens. Ein positiver Test ist kein Beweis für Untreue, da die Infektion jahrelang unbemerkt bleiben kann.

Wo finde ich spezialisierte Dysplasie-Einheiten?

Dysplasie-Einheiten oder zertifizierte Dysplasie-Sprechstunden gibt es in vielen Kliniken und spezialisierten Praxen in Deutschland. Dein Gynäkologe kann dich überweisen. Diese Einheiten haben hohe Expertise in der Abklärung und Behandlung HPV-bedingter Zellveränderungen.

Geschrieben von Dr. med. Anja Wagner, Dr. med. Anja Wagner ist eine Gynäkologin und Endokrinologin mit über 15 Jahren Praxiserfahrung in Hamburg, spezialisiert auf die ganzheitliche Betrachtung hormoneller Gesundheit von der Pubertät bis in die Wechseljahre.