Veröffentlicht am März 11, 2024

Die Teilnahme an Krebsfrüherkennungsprogrammen ist eine persönliche Nutzen-Schaden-Abwägung, keine moralische Pflicht.

  • Mammographie-Screening kann Leben retten, führt aber auch zu Überdiagnosen – also zur Behandlung von Tumoren, die nie gefährlich geworden wären.
  • Ein positiver HPV-Test bedeutet nicht, dass Sie Krebs haben, sondern signalisiert eine Infektion, die meist von selbst heilt und nur engmaschig beobachtet werden muss.

Empfehlung: Nutzen Sie die in diesem Artikel dargestellten Fakten als Grundlage für ein Gespräch mit Ihrem Arzt, um eine informierte, auf Ihre persönliche Situation zugeschnittene Entscheidung zu treffen.

Jedes Jahr erhalten Millionen von Frauen in Deutschland eine Einladung zur Krebsfrüherkennung. Ob zum Mammographie-Screening ab 50 oder zur neuen Ko-Testung auf Gebärmutterhalskrebs ab 35 – die Botschaft ist meist klar und einfach: Früherkennung rettet Leben. Dieser Appell ist allgegenwärtig und suggeriert, dass die Teilnahme eine selbstverständliche Pflicht für jede gesundheitsbewusste Frau sei. Doch hinter den plakativen Slogans verbirgt sich eine weitaus komplexere Realität, die in den offiziellen Broschüren oft nur am Rande erwähnt wird. Die evidenzbasierte Medizin zeigt, dass Screening-Programme nicht nur einen unbestreitbaren Nutzen haben, sondern auch potenzielle Schäden verursachen können.

Das größte Dilemma ist die sogenannte Überdiagnose: die Entdeckung und Behandlung von Krebserkrankungen, die zu Lebzeiten der Frau niemals zu Symptomen oder gar zum Tod geführt hätten. Hinzu kommt die psychische Belastung durch falsch-positive Befunde und die Ungewissheit während des Wartens auf endgültige Ergebnisse. Wenn also die wahre Frage nicht lautet, *ob* man zur Vorsorge geht, sondern *wie* man eine souveräne Entscheidung trifft? Der Schlüssel liegt in der Risikokompetenz – der Fähigkeit, statistische Informationen zu verstehen und auf die eigene Lebenssituation anzuwenden. Dieser Artikel verfolgt genau dieses Ziel: Er liefert Ihnen die wissenschaftlich fundierten Fakten, um die Nutzen-Schaden-Abwägung für sich selbst vornehmen zu können.

Für alle, die die Kernkonzepte lieber visuell aufbereitet sehen möchten, fasst das folgende Video die wichtigsten Angebote zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs in Deutschland zusammen. Es bietet eine gute Ergänzung zu den detaillierten Analysen in diesem Artikel.

Dieser Leitfaden ist so strukturiert, dass er Sie Schritt für Schritt durch die wichtigsten Aspekte der gynäkologischen Krebsfrüherkennung in Deutschland führt. Von der kritischen Auseinandersetzung mit der Mammographie über die neue HPV-Testung bis hin zu präventiven Lebensstil-Faktoren erhalten Sie eine umfassende und evidenzbasierte Grundlage für Ihre Gesundheitsentscheidungen.

Eingeladen zur Mammographie: Was die Untersuchung für Sie bedeutet, welche Brustkrebsfälle sie findet und welche sie besser nicht gefunden hätte

Das Mammographie-Screening-Programm in Deutschland richtet sich an alle Frauen zwischen 50 und 69 Jahren und hat zum Ziel, Brustkrebs in einem frühen, besser behandelbaren Stadium zu entdecken. Die unbestreitbare positive Seite ist, dass durch das Screening Frauen vor dem Tod durch Brustkrebs bewahrt werden. Dem gegenüber steht jedoch das größte und am intensivsten diskutierte Risiko des Screenings: die Überdiagnose. Darunter versteht man die Diagnose eines Tumors, der so langsam wächst, dass er zu Lebzeiten der Frau nie zu Beschwerden geführt hätte. Diese Tumoren werden dann wie aggressive Karzinome behandelt – mit Operation, Bestrahlung oder Chemotherapie –, obwohl sie nie eine Gefahr dargestellt hätten.

Die Häufigkeit von Überdiagnosen ist schwer exakt zu bestimmen, aber aktuelle Schätzungen für Deutschland gehen davon aus, dass etwa 10 bis 20 Prozent der im Screening entdeckten Brustkrebstumoren einer Überdiagnose entsprechen. Anders ausgedrückt: Bei einer von fünf bis zehn Frauen, die im Screening eine Brustkrebsdiagnose erhalten, wäre der Tumor ohne das Screening nie zum Problem geworden. Wissenschaftliche Hochrechnungen deuten zudem darauf hin, dass von 1.000 Frauen, die 20 Jahre lang regelmäßig am Screening teilnehmen, 9 bis 12 Frauen eine Überdiagnose erhalten, die zu einer unnötigen Behandlung führt.

Das Kernproblem dieser Situation wird von Experten des Mammographie-Screening-Programms Bonn klar benannt:

Das Problem dabei ist, dass bei diesen Brustkrebsformen nicht vorhersagbar ist, bei welcher Frau der Brustkrebs vermutlich zeitlebens keine Beschwerden hervorgerufen hätte und bei welcher doch.

– Mammographie-Screening Bonn Rhein-Sieg Euskirchen, FAQ zu Überdiagnose beim Mammographie-Screening

Da Ärzte nicht mit Sicherheit zwischen einem harmlosen und einem potenziell tödlichen Tumor unterscheiden können, wird im Zweifel immer zur Behandlung geraten. Eine informierte Entscheidung bedeutet also, den potenziellen Nutzen, vor einem Brustkrebstod bewahrt zu werden, gegen das reale Risiko einer unnötigen Krebsdiagnose und -therapie abzuwägen.

HPV-positiv – und jetzt? Alles, was Sie über die neue Gebärmutterhalskrebs-Vorsorge ab 35 wissen müssen

Seit Januar 2020 hat sich die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs in Deutschland für Frauen ab 35 Jahren grundlegend geändert. Statt des jährlichen Pap-Tests wird nun alle drei Jahre eine Ko-Testung angeboten, die aus einem Pap-Abstrich und einem zusätzlichen Test auf Humane Papillomviren (HPV) besteht. Diese Änderung basiert auf der Erkenntnis, dass eine langanhaltende Infektion mit bestimmten Hochrisiko-Typen von HPV die Hauptursache für Gebärmutterhalskrebs ist. Der HPV-Test sucht also nicht nach bereits veränderten Zellen, sondern nach dem Virus, das diese Veränderungen auslösen könnte.

Die entscheidende Botschaft lautet: Ein positiver HPV-Test ist keine Krebsdiagnose. Die meisten sexuell aktiven Menschen infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit HPV, und in über 90 % der Fälle heilt die Infektion ohne Behandlung von selbst wieder aus. Ein positives Ergebnis bedeutet lediglich, dass eine Infektion vorliegt, die ein potenzielles Risiko darstellt. Ist der Pap-Test gleichzeitig unauffällig, wird in der Regel empfohlen, die nächste Kontrolle bereits nach einem Jahr statt erst nach drei Jahren durchzuführen. Nur wenn die Infektion über längere Zeit bestehen bleibt (persistiert) und/oder der Pap-Test Zellveränderungen zeigt, sind weitere diagnostische Schritte wie eine Kolposkopie (Lupenuntersuchung des Muttermunds) notwendig.

Diese neue Vorsorgestrategie ist darauf ausgelegt, Frauen mit einem erhöhten Risiko engmaschiger zu überwachen, während Frauen mit geringem Risiko seltener untersucht werden müssen. Für Frauen zwischen 20 und 34 Jahren bleibt es bei der jährlichen Vorsorge mit dem Pap-Test, da HPV-Infektionen in dieser Altersgruppe extrem häufig sind und fast immer von selbst ausheilen, sodass ein HPV-Test zu viel Verunsicherung führen würde. Die Ko-Testung ab 35 ist somit ein präziseres Instrument zur Risikostratifizierung.

Die visuelle Darstellung des Laborprozesses verdeutlicht die Präzision, mit der Proben heute analysiert werden, um Viren oder Zellveränderungen zu identifizieren.

Nahaufnahme eines HPV-Labortests mit abstrakten Virenpartikeln und medizinischen Symbolen

Die neue Ko-Testung ermöglicht eine differenziertere Risikobewertung. Sie identifiziert Frauen, die eine engmaschigere Überwachung benötigen, und gibt gleichzeitig Entwarnung für die große Mehrheit, deren Immunsystem die HPV-Infektion erfolgreich bekämpft. Das Verständnis dieses Mechanismus ist entscheidend, um nach einem positiven Befund nicht in Panik zu verfallen.

Ihr persönliches Krebsrisiko senken: Welche Rolle Lebensstil, Genetik und Umweltfaktoren wirklich spielen

Während Früherkennungsprogramme darauf abzielen, Krebs möglichst früh zu entdecken (Sekundärprävention), liegt der wirksamste Schutz in der Primärprävention: Maßnahmen zu ergreifen, damit Krebs gar nicht erst entsteht. Obwohl genetische Faktoren eine Rolle spielen, wird ein erheblicher Teil der Krebserkrankungen durch Lebensstil- und Umweltfaktoren beeinflusst. Hier haben Sie die Möglichkeit, aktiv Ihre Gesundheit zu gestalten und Ihr persönliches Risiko zu senken.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und der World Cancer Research Fund (WCRF) sind sich einig: Ein Ernährungsmuster, das reich an Vollkornprodukten, Gemüse, Obst und Hülsenfrüchten ist, bildet die Basis der Krebsprävention. Es geht weniger um einzelne „Superfoods“ als um das Zusammenspiel einer pflanzenbetonten Ernährung mit regelmäßiger körperlicher Aktivität. Dies beeinflusst die Stoffwechselsituation im Körper und kann die Entstehung krebsfördernder Prozesse hemmen. Konkret bedeutet das:

  • Begrenzen Sie den Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch.
  • Vermeiden Sie zuckergesüßte Getränke und hochverarbeitete Lebensmittel.
  • Halten Sie ein gesundes Körpergewicht und seien Sie regelmäßig körperlich aktiv.
  • Verzichten Sie auf das Rauchen und schränken Sie den Alkoholkonsum ein.

Die Wirkung spezifischer Ernährungskomponenten wird intensiv erforscht. Eine Ende 2022 veröffentlichte Metaanalyse zeigt beispielsweise, dass jede 10-g-Erhöhung der Ballaststoffaufnahme pro Tag mit einem um 13 Prozent geringeren Risiko für die Gesamtmortalität bei Brustkrebsüberlebenden einhergeht. Dies unterstreicht die Bedeutung einer ballaststoffreichen Kost nicht nur für die Prävention, sondern auch nach einer Diagnose. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Maßnahmen keine Garantie sind, aber sie verschieben die Wahrscheinlichkeiten signifikant zu Ihren Gunsten.

Zwischen Angst und Hoffnung: Wie Sie die psychische Belastung nach einem auffälligen Vorsorge-Befund bewältigen

Die Zeit zwischen einem auffälligen Vorsorgebefund und der endgültigen Diagnose kann zu einer enormen psychischen Belastung werden. Angst, Unsicherheit und das Gefühl des Kontrollverlusts sind normale Reaktionen. Selbst wenn sich der Verdacht später als unbegründet herausstellt, hinterlässt diese Phase des Wartens bei vielen Frauen Spuren. Es ist daher entscheidend, Strategien zur Bewältigung dieser emotionalen Herausforderung zu kennen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Psychoonkologen sind spezialisierte Psychologen, die Patienten und ihre Angehörigen im Umgang mit einer Krebserkrankung unterstützen. Ihre Hilfe ist jedoch nicht erst nach einer gesicherten Diagnose wertvoll, sondern bereits in der Phase der Diagnostik. Wie Experten von Helios Gesundheit betonen, können erfahrene Psychoonkologen Frauen dabei helfen, Emotionen wie Angst und Mutlosigkeit zu verstehen und konstruktiv damit umzugehen. Der Austausch mit einer neutralen, aber fachkundigen Person kann den emotionalen Druck erheblich reduzieren. Der Erfahrungsbericht einer Patientin unterstreicht die Wichtigkeit schneller und unkomplizierter Hilfe:

Ich hatte eine Brustkrebsdiagnose und brauchte in der 6-wöchigen Phase der Diagnostik aufgrund starker Ängste psychoonkologische Unterstützung. Es war gut, dass ich mit einer Person über die Krankheit und meine Ängste sprechen konnte, die in dieser Thematik sozusagen zu Hause war. Eine Krebsdiagnose kommt plötzlich, einen Termin bei einem Psychoonkologen zu bekommen dauert meist lange. Helga hilft schnell und unkompliziert in der akuten Phase.

– Anonym, Helga Hilft Online-Hilfe

Neben professioneller Unterstützung gibt es auch Selbsthilfestrategien:

  • Informationskontrolle: Suchen Sie gezielt nach verlässlichen Informationen (z.B. beim Krebsinformationsdienst), aber vermeiden Sie unkontrolliertes „Googeln“, das Ängste schüren kann.
  • Soziale Unterstützung: Sprechen Sie mit vertrauten Personen über Ihre Gefühle. Das Teilen der Sorgen kann entlastend wirken.
  • Achtsamkeit und Entspannung: Techniken wie Meditation, tiefes Atmen oder Yoga können helfen, das Nervensystem zu beruhigen und den Fokus vom „Kopfkino“ wegzulenken.

Die Anerkennung der psychischen Belastung als realen Teil des Screening-Prozesses ist ein wichtiger Schritt zur Risikokompetenz. Es ist Ihr Recht, Unterstützung einzufordern.

BRCA1/2 & Co.: Wann ein Gentest auf erblichen Brustkrebs sinnvoll ist und was das Ergebnis für Sie und Ihre Familie bedeutet

Für die große Mehrheit der Frauen, die an Brust- oder Eierstockkrebs erkranken, ist dies eine sporadische Erkrankung. Bei einem kleinen, aber bedeutsamen Teil liegt jedoch eine erbliche Veranlagung vor. Forschung zeigt, dass bis zu 10 Prozent aller Brustkrebspatientinnen eine Veränderung (Mutation) in einem Hochrisikogen wie BRCA1 oder BRCA2 tragen. Diese Gene sind normalerweise für die Reparatur von DNA-Schäden zuständig. Ist ihre Funktion gestört, steigt das Risiko, im Laufe des Lebens an Brust- oder Eierstockkrebs zu erkranken, dramatisch an.

Ein Gentest ist jedoch keine Routineuntersuchung, sondern wird nur bei bestimmten Risikokonstellationen empfohlen und von den Krankenkassen übernommen. Das Deutsche Konsortium für familiären Brust- und Eierstockkrebs hat klare Kriterien definiert. Ein Test kann sinnvoll sein, wenn in Ihrer Familie beispielsweise:

  • Mehrere Frauen an Brustkrebs erkrankt sind, insbesondere in jungen Jahren (vor dem 50. Lebensjahr).
  • Fälle von Eierstockkrebs aufgetreten sind.
  • Ein männlicher Verwandter an Brustkrebs erkrankt ist.
  • Eine Frau sowohl an Brust- als auch an Eierstockkrebs erkrankt ist.

Ein positives Testergebnis hat weitreichende Konsequenzen. Es bedeutet nicht, dass eine Erkrankung unausweichlich ist, aber es eröffnet die Möglichkeit intensivierter Früherkennungsprogramme (z.B. jährlicher Wechsel von Mammographie und MRT der Brust) oder präventiver Operationen (Entfernung der Brüste und/oder Eierstöcke). Zudem hat das Ergebnis Relevanz für Blutsverwandte (Kinder, Geschwister), die ebenfalls Träger der Mutation sein könnten. Daher ist ein Gentest immer an eine umfassende genetische Beratung gekoppelt, in der die medizinischen, psychologischen und familiären Implikationen ausführlich besprochen werden.

Pap-Test und HPV-Test erklärt: Was diese Abstriche über Ihre Gesundheit verraten und was die Ergebnisse bedeuten

Im Zentrum der Gebärmutterhalskrebs-Vorsorge stehen zwei Testverfahren: der Pap-Test und der HPV-Test. Obwohl beide mittels eines Abstrichs vom Muttermund durchgeführt werden, beantworten sie unterschiedliche Fragen und werden in Deutschland je nach Alter unterschiedlich eingesetzt. Das Verständnis ihrer jeweiligen Funktion ist entscheidend, um die Ergebnisse einordnen zu können.

Der Pap-Test (Papanicolaou-Test) ist ein zytologischer Test. Das bedeutet, er untersucht die entnommenen Zellen unter dem Mikroskop auf sichtbare Veränderungen (Dysplasien). Er beantwortet die Frage: „Liegen aktuell Zellveränderungen vor?“. Die Ergebnisse werden in verschiedene Stufen eingeteilt, von Pap I (völlig unauffällig) bis Pap V (Zellen eines bösartigen Tumors). Wie der Krebsinformationsdienst des DKFZ erklärt, ist ein Befund von „Pap I“ ein völlig gesunder Normalbefund, der keine weiteren Maßnahmen erfordert. Der HPV-Test hingegen ist ein virologischer Test. Er sucht nicht nach veränderten Zellen, sondern direkt nach dem Erbgut von Humanen Papillomviren. Er beantwortet die Frage: „Liegt eine Infektion mit einem Hochrisiko-HPV-Typ vor, der potenziell Krebs auslösen kann?“.

Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Unterschiede zusammen und zeigt, wie die Tests im deutschen Vorsorgesystem kombiniert werden:

Unterschiede zwischen Pap-Test und HPV-Test
Merkmal Pap-Test HPV-Test
Was wird untersucht? Zellveränderungen unter dem Mikroskop Humane Papillomviren (HPV-Viren)
Frage, die beantwortet wird Liegen Zellveränderungen vor? Liegt eine HPV-Infektion vor, die Krebs auslösen kann?
Alter (Deutschland) 20–34 Jahre jährlich; ab 35 Jahren alle 3 Jahre (mit HPV-Test kombiniert) Ab 35 Jahren alle 3 Jahre (mit Pap-Test kombiniert)
Aussagekraft Zeigt aktuelle Zellveränderungen Zeigt Infektionsrisiko für zukünftige Zellveränderungen

Die Kombination beider Tests (Ko-Testung) ab 35 Jahren erhöht die Sicherheit der Vorsorge. Ein negativer HPV-Test gibt eine sehr hohe Sicherheit, dass in den nächsten Jahren kein Gebärmutterhalskrebs entstehen wird. Ein positiver HPV-Test bei gleichzeitig unauffälligem Pap-Test signalisiert die Notwendigkeit einer engmaschigeren Kontrolle, ohne sofort Anlass zur Sorge zu geben.

Die HPV-Impfung: Warum sie nicht nur Mädchen, sondern auch Jungen vor Krebs schützt – Fakten gegen Mythen

Die effektivste Strategie gegen Gebärmutterhalskrebs und andere HPV-bedingte Krebserkrankungen ist nicht die Früherkennung, sondern die primäre Prävention durch die HPV-Impfung. Anders als das Screening, das nach Vorstufen oder Tumoren sucht, verhindert die Impfung die ursächliche Infektion mit den gefährlichsten HPV-Typen von vornherein. Die Ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland empfiehlt die Impfung für alle Mädchen und Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren, da sie am wirksamsten ist, wenn sie vor dem ersten sexuellen Kontakt verabreicht wird. Nachholimpfungen sind bis zum Alter von 17 Jahren möglich und werden von den Krankenkassen übernommen.

Die Wirksamkeit der Impfung ist durch große Studien eindrucksvoll belegt. Daten aus Schweden und England belegen, dass die vor dem Alter von 17 Jahren verabreichte HPV-Impfung das Risiko für späteren Gebärmutterhalskrebs um bis zu 88 Prozent reduziert. Das Robert Koch-Institut (RKI) betont, dass die meisten durch HPV verursachten Krebserkrankungen durch eine frühzeitige Impfung vermeidbar wären. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass die Impfung nur Mädchen betrifft. Jungen werden ebenfalls geimpft, und das aus zwei Gründen:

  1. Eigenschutz: HPV kann auch bei Männern Krebs verursachen, insbesondere im Mund- und Rachenraum (Oropharynxkarzinome) sowie Analkarzinome und Peniskarzinome.
  2. Fremdschutz (Herdenimmunität): Geimpfte Jungen können das Virus nicht mehr auf ihre späteren Partnerinnen übertragen. Die Impfung von Jungen trägt somit entscheidend dazu bei, die Zirkulation des Virus in der Bevölkerung zu reduzieren und auch ungeschützte Personen zu schützen.

Trotz der klaren wissenschaftlichen Evidenz und der offiziellen Empfehlungen sind die Impfquoten in Deutschland im internationalen Vergleich leider immer noch zu niedrig. Die HPV-Impfung stellt eine der größten Erfolgsgeschichten der modernen Präventivmedizin dar und ist ein zentraler Baustein einer umfassenden Gesundheitsvorsorge.

Das Wichtigste in Kürze

  • Überdiagnose ist real: Screening findet nicht nur gefährliche Tumoren, sondern auch harmlose, die unnötig behandelt werden. Dies ist der größte Schaden der Früherkennung.
  • Ein positiver Befund ist keine Diagnose: Sowohl ein auffälliger Pap-Test als auch ein positiver HPV-Test bedeuten primär die Notwendigkeit weiterer Beobachtung, nicht zwangsläufig eine Krebserkrankung.
  • Prävention ist mehr als Screening: Lebensstil (Ernährung, Bewegung) und Impfungen (HPV) sind hochwirksame Instrumente, um das Krebsrisiko aktiv zu senken, noch bevor eine Früherkennung nötig wird.

Ihr jährlicher Gesundheits-Check: Was bei der gynäkologischen Vorsorge in Deutschland wirklich passiert und warum sie Ihr Leben retten kann

Der jährliche Besuch in der gynäkologischen Praxis ist für viele Frauen eine etablierte Routine. Er ist weit mehr als nur der Moment für den Krebsabstrich. Dieser Termin ist eine zentrale Anlaufstelle für die Frauengesundheit über alle Lebensphasen hinweg – von der Pubertät über die fruchtbaren Jahre bis in die Wechseljahre und darüber hinaus. Der Check-up dient dazu, die Gesundheit der Geschlechtsorgane zu überprüfen, Infektionen auszuschließen und frühzeitig auf Veränderungen aufmerksam zu werden. Vor allem aber ist er eine Gelegenheit, im vertraulichen Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin individuelle Fragen zu klären.

Ein typischer Vorsorgetermin umfasst in der Regel das Abtasten der Brust und der Lymphknoten in den Achselhöhlen, die Untersuchung der äußeren und inneren Geschlechtsorgane sowie, je nach Alter, den Pap- und/oder HPV-Test. Doch der Wert dieses Termins geht über die reinen Untersuchungen hinaus. Es ist der richtige Ort, um über alles zu sprechen, was Sie bewegt: Verhütungsmethoden, Menstruationsbeschwerden, sexuelle Gesundheit, Kinderwunsch, Endometriose-Symptome oder Beschwerden in den Wechseljahren. Eine gute Vorbereitung auf diesen Termin hilft Ihnen, die Zeit optimal zu nutzen und sicherzustellen, dass all Ihre Anliegen Gehör finden.

Die Früherkennung kann im Einzelfall tatsächlich lebensrettend sein, wenn ein aggressiver Tumor in einem frühen Stadium entdeckt wird. Doch ihre wahre Stärke entfaltet die gynäkologische Vorsorge im Gesamtpaket: als kontinuierliche Begleitung, die präventive Beratung, Diagnostik und vertrauensvollen Dialog miteinander verbindet und Sie in Ihrer Gesundheitskompetenz stärkt.

Ihr Aktionsplan: Checkliste zur Vorbereitung auf den gynäkologischen Vorsorgetermin

  1. Vorbefunde sammeln: Kopieren Sie alle aktuellen Arztbriefe und Befunde, besonders bei einem Arztwechsel.
  2. Fragen notieren: Schreiben Sie Ihre wichtigsten Fragen auf – von Menstruationsbeschwerden über den Impfstatus (z.B. HPV) bis hin zu sexueller Gesundheit.
  3. Verhütung klären: Notieren Sie Ihre aktuelle Verhütungsmethode und eventuelle Nebenwirkungen oder Fragen dazu.
  4. IGeL-Leistungen prüfen: Erfragen Sie, welche zusätzlichen Untersuchungen als Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) angeboten werden, und informieren Sie sich vorab über deren wissenschaftlich belegten Nutzen.
  5. Risikofaktoren mitteilen: Informieren Sie Ihre Ärztin, falls Sie ein erhöhtes Krebsrisiko haben (familiäre Vorbelastung, Rauchen, Übergewicht).

Die Wahrnehmung des jährlichen Check-ups ist eine Investition in die eigene Gesundheit, deren Wert weit über den reinen Krebsabstrich hinausgeht, wie diese Übersicht der Inhalte zeigt.

Häufige Fragen zur Gebärmutterhalskrebs-Vorsorge

Was ist eine HPV-Infektion und wie gefährlich ist sie?

HPV ist weit verbreitet, und die meisten sexuell aktiven Menschen infizieren sich mehrfach in ihrem Leben damit. In den meisten Fällen ist die Infektion nur kurzzeitig nachweisbar. Eine Infektion mit HPV ist harmlos und heilt von alleine wieder aus – nur selten löst eine Infektion nach Jahren Gebärmutterhalskrebs aus.

Wie oft sollte ich einen HPV-Test machen lassen?

Frauen ab 35 Jahren erhalten in Deutschland als Kassenleistung alle drei Jahre eine Kombinationsuntersuchung (Ko-Testung) aus Pap-Abstrich und HPV-Test. Zwischen 20 und 34 Jahren wird jährlich ein Pap-Test durchgeführt, da ein HPV-Test in dieser Altersgruppe zu viel Verunsicherung führen würde.

Was bedeutet ein positives HPV-Testergebnis?

Ein positiver HPV-Befund bei gleichzeitig unauffälligem Pap-Abstrich bedeutet, dass Sie HPV-Viren in sich tragen, aber aktuell keine Zellveränderungen vorliegen. Dies ist kein Grund zur Panik. Sie werden dann in der Regel zu einer Kontrolluntersuchung nach einem Jahr eingeladen, um zu prüfen, ob die Infektion von selbst ausgeheilt ist oder weiterhin besteht.

Geschrieben von Dr. med. Anja Wagner, Dr. med. Anja Wagner ist eine Gynäkologin und Endokrinologin mit über 15 Jahren Praxiserfahrung in Hamburg, spezialisiert auf die ganzheitliche Betrachtung hormoneller Gesundheit von der Pubertät bis in die Wechseljahre.